Die Zunft der Internethändler hat es schon schwer, ständig denkt sich entweder der Gesetzgeber oder ein findiges Gericht eine neue „Wettbewerbswidrigkeit“ aus, mit der Folge, dass findige Rechtsanwälte oder böswillige Konkurrenten die Händler mit kostenpflichtigen Abmahnungen überziehen. Kaum hat sich der Händler auf die „dunkle Bedrohung“ eingestellt, droht schon wieder die nächste Änderung der Rechtslage.

Ein schönes Beispiel hierfür ist die Regelung um die Kosten der Rücksendung bei einem Widerruf.

Im Jahre 2008 beschloss die Bundesregierung, eine Musterwiderrufsbelehrung in den Gesetzestext aufzunehmen, da die bisherigen Musterbelehrungen von den Gerichten teilweise „zerpflückt“ wurden. Diese „neue“ Musterwiderrufsbelehrung sollte „Rechtssicherheit“ bringen. In dieser Muster-Widerrufsbelehrung wurde folgender Absatz eingefügt:

„Paketversandfähige Sachen sind auf unsere [Kosten und] (10) Gefahr zurückzusenden.“

Unter der Fussnote 10 war dann folgende Anmerkung eingefügt:

Ist entsprechend § 357 Absatz 2 Satz 3 BGB eine Übernahme der Versandkosten durch den Verbraucher vereinbart worden, kann der Klammerzusatz weggelassen werden. Stattdessen ist hinter „zurückzusenden.“ Folgendes einzufügen:

„Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der bestellten entspricht und wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn Sie bei einem höheren Preis der Sache zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht die Gegenleistung oder eine vertraglich vereinbarte Teilzahlung erbracht haben.“

Wie immer steckt der Teufel im Detail. Natürlich wollten alle Internethändler – soweit möglich –  NICHT die Kosten für die Rücksendung bei einem Widerruf tragen, und haben die „Option“ des § 357 Absatz 2 Satz 3 BGB gewählt. Danach muss also die Kostenübernahme der Rücksendung mit dem Verbraucher vertraglich vereinbart werden. Hier fängt jetzt der juristische Hochseilakt an. Ist die Widerrufsbelehrung selber, in der diese Regelung enthalten ist,  schon eine „vertragliche Vereinbarung“ ? Oder bedarf es einer weiteren vertraglichen Vereinbarung außerhalb des Textes der Widerrufsbelehrungen, um die vom Gesetz geforderte „vertragliche Vereinbarung“ wirksam herzustellen ?

Für beide Seiten gibt es gute Argumente:

  • einerseits muss die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher vor dem Vertragsschluss zur Kenntnis gebracht werden, so dass  die Widerrufsbelehrung nicht als Vertragsbestandteil gesehen werden kann, da Sie nur „einseitigen Charakter“ besitzt (so OLG Hamm, Urteil vom 2.3.2010 4 U 180/09)
  • andererseits ist die „doppelte Belehrung“ eine „Förmelei“ und nicht deshalb „wirksamer“, weil sie zwei Mal im Vertragstext steht. Der Verbraucher erkennt bereits die Widerrufsbelehrung in seiner „laienhaften Sicht“ eine vertragliche Vereinbarung (so LG Frankfurt vom 4.12.2009 AZ: 3-12 O 123/09 mittlerweile aufgehoben durch OLG Frankfurt, 6 U 8/10).

In der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung haben sich nun die OLGs von Hamm, Hamburg, Koblenz und Frankfurt am Main der ersten Meinung angeschlossen.Und dabei bleibt es bisher. Denn auf Grund der Besonderheiten des wettbewerbsrechtlichen Verfahrens gibt es  bisher keinerlei für die Instanzen verbindliche BGH Rechtsprechung zu dem Thema. Im wettbewerbsrechtlichen Verfahren wird üblicherweise so gut wie alles über den einstweiligen Rechtsschutz geklärt, und dann ist das OLG die oberste Instanz (§ 542 Absatz 2 ZPO). Nur wenige haben das Interesse, ein Problem über einen mehrjährigen Instanzenzug im Hauptverfahren bis zum BGH zu treiben (Im einstweiligen Rechtsschutz ist die Sache in 10-12 Monate in 2 Instanzen ausentschieden). Und weil im Wettbewerbsrecht der fliegende Gerichtsstand besteht, entscheiden erstaunlicherweise immer wieder die oben genannten Gerichte zu diesem Themenkomplex, eben weil der Abmahner weiss, wie das OLG aller Vorraussicht nach entscheiden wird.

Dementsprechend wird seit etwa 2 Jahren fröhlich die fehlende „doppelt gemoppelte“ Vereinbarung  der Überwälzung der Rücksendekosten abgemahnt und – falls eine entsprechende Unterlassungserklärung nicht erfolgt – vor Gerichten der Gerichtsbezirke Hamm, Hamburg, Frankfurt oder Karlsruhe verhandelt. Meistens landen die Sachen im Gerichtsbezirk Hamm, das das dortige OLG auch sehr streitwertfreudig ist, während beispielsweise das LG Hamburg in solchen Fällen mittlerweile nur einen verhältnismäßig günstigen Streitwert von 6.000,- € annimmt.

Die meisten Internethändler haben sich mittlerweile auf die oben genannte Problematik eingestellt, doch nun zeigt sich eine neue Regelung am Horizont:

Das EU-Parlament hat nämlich am 23.6.2011 eine neue Verbraucherrichtlinie in erster Lesung verabschiedet, wonach das Widerrufsrecht im Internethandel europaweit vereinheitlicht werden soll. Dort ist dann in Artikel 14 Nr 1 des verabschiedeten Entwurfes  zu lesen:

Der Verbraucher hat nur die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren zu tragen , es sei denn, der Gewerbetreibende hat sich bereit erklärt, diese Kosten zu tragen oder der Gewerbetreibende hat es versäumt, den Verbraucher darüber zu unterrichten, dass er diese Kosten zu tragen hat .

Im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, holt der Gewerbetreibende die Waren auf eigene Kosten ab, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie normalerweise nicht per Post zurückgesandt werden können.

Hier wird – aus Sicht der derzeitigen Gesetze und Rechtsprechung – nun die Rolle rückwärts eingelegt: Solange nichts anderes vereinbart ist, muss der Verbraucher im Falle des Widerrufs die Rücksendekosten tragen.  Also genau umgekehrt zur derzeitigen deutschen Regelung, dass der Verbraucher nur dann die Kosten der Rücksendung tragen muss, wenn die Ware unter 40 € gekostet hat und der Unternehmer die Überwälzung der Kosten mit dem Verbraucher vertraglich vereinbart (siehe § 357 Abs 2 Satz 3 BGB) hat.

Der deutsche Gesetzgeber hat nun (vorausgesetzt der Rat ratifiziert die Regelung, wovon wohl auszugehen ist) bis 2013 Zeit, diese EU-Regelung in nationales Recht umzuwandeln.

Es werden die ersten Wetten angenommen, wann die ersten Abmahnungen im Jahre 2013 versandt werden, weil in den AGB der Internethändler noch die alten Regelungen enthalten sind……

Wie gesagt, Internethändler haben´s schwer…….

UPDATE:

Am 10.10.2011 hat der EU-Rat die Verbraucherrichtlinie ratifiziert. Den Volltext der Richtlinie gibt es hier.

Abmahnklassiker und der Blick in die Zukunft

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